Was eigentlich ist Kathina?

"Was ist Kathina eigentlich, was hat es damit auf sich?" Das mag sich schon mancher Farang verwundert gefragt haben, wenn in jedem Herbst einen Monat lang eine ganze Reihe von prachtvollen Festen in den verschiedenen buddhistischen Tempeln Berlins stattfindet.

Buddha Statue beim Kathina-Fest.

Die in Asien gewöhnlich stattfindende Regenjahreszeit dauert ungefähr vier Monate, vom Julivollmond bis zum Novembervollmond. Zwischen dem Juli- und Oktobervollmond sollen die Mönche ständig an einem Ort bleiben - das ist das sogenannte Vassa oder "Regenzeit-Retreat" (auf Thai: Phansa), eine Zeit der Einkehr für die buddhistischen Mönche, in der sie nicht unterwegs sind. Danach folgt im buddhistischen Kalender der Monat für die traditionelle Kathina-Zeremonie.

Das Kanthina-Fest in Berlin-Wedding.

Diese bedeutende, mit viel Sorgfalt ausgerichtete Feier ist für viele Laien ein Ansporn mit großer Hingabe und Begeisterung an den Vorbereitungen für ein glanzvolles Fest mitzuwirken. Jede Feier in einem der vielen Tempel findet jedesmal unter enthusiastischer Beteiligung der gesamten Thai-Gemeinschaft statt. Mit Blumenschmuck, ausgewählten Speisen und künstlerischen Beiträgen geben die Laien ihr Bestes und auch die Spenden fallen an diesem Tag besonders großzügig aus. Doch dann geschieht manchmal etwas Merkwürdiges: Immer wieder werden fertig genähte Roben im Tempel zum "Verkauf" angeboten, werden von den Laien "gekauft" und den Mönchen von neuem gegeben, als sei der Tempel ein ganz gewöhnlicher Markt. Und wieder geschieht es, dass die Laien von den Mönchen direkt ermuntert werden, den Spendenbetrag, der an einem solchen Tag zusammen kommt, weiter und weiter zu erhöhen. Wie kann das sein, wird sich da mancher fragen, der zu Recht meint, den Buddhismus ganz anders zu verstehen und an Verzicht und an Freiheit von allem Anhaften denkt. Geht es am Kathina-Fest stattdessen nicht um etwas ganz anderes? Geht es nicht vielmehr um eine einzige Robe, die an diesem Tag von den Mönchen selbst genäht wird?

In diesem Artikel wollen wir dem Ursprung der Kathina-Zeremonie, ihrem eigentlichen Zweck und ihrer Bedeutung einmal auf den Grund gehen. Ein Blick in das Kathina-Kapitel des Mahavagga aus dem in Pali verfassten "Korb der Ordensdisziplin" kann uns hierbei zunächst weiterhelfen.

Das Nähen der Kathina-Roben.

In diesem Kapitel wird von etwa dreißig Mönchen aus Pava berichtet, die sich vor dem Beginn des Vassa (Regenzeit-Retreat) nach Savatthi aufmachten, um das Vassa zusammen mit dem Buddha zu verbringen. Sie waren aber zu spät, und mussten das Vassa in Saketa verbringen. Drei Monate später, nach dem regulären Ende des Vassa, jedoch noch vor Ablauf der viermonatigen Regenjahreszeit, setzten die Mönche ihre Reise nach Savatthi fort durch Regen und Morast. Sie erreichten den Buddha mit durchnässten Roben, und der Buddha entschloss sich, die Kathina-Regeln bekannt zu machen. Er erlaubte den Mönchen, nachdem das Vassa verbracht worden ist, Kathina zu teilen (das heißt eine Kathina-Robe zu nähen und innerhalb eines Tages fertig zu machen). Geteilte Kathina gewährt den Mönchen fünf Vorteile.

Der Buddha hat dann sehr genau die Bedingungen festgelegt, die erfüllt werden müssen, um Kathina richtig zu teilen. Von den zahlreichen Anweisungen sollen hier nur einige genannt werden. Bevor die Näh-Arbeit anfängt, müssen die Mönche einstimmig beschließen, welcher von ihnen den schon gespendeten Stoff empfangen wird. Das geschieht - in der Regel auf Pali - in der Sanghakamma-Zeremonie. Der ausgewählte Mönch muss unter anderem während des Regenzeit-Retreats ständig am selben Ort gewohnt haben. Der Stoff für die Kathina-Robe, den die Laien dem Sangha spenden, muss von den Mönchen eigenhändig markiert, zugeschnitten, genäht, gefärbt und zu einer fertigen Robe verarbeitet werden. Und das innerhalb eines Tages. Erst wenn die Mönche die Robe als richtig und in Übereinstimmung mit dem Dhamma gemacht betrachten und ihre Anumodana (Mitfreude) dazu geben, ist die Robe eine Kathina-Robe geworden - das Kathina ist damit geteilt worden. Auch das ist ein wesentlicher Schritt für die Kathina-Teilung und der Buddha hat ausdrücklich hervorgehoben, dass alle vorgeschriebenen Schritte auszuführen sind. Wenn nur einer fehlt, ist die Robe keine Kathina-Robe.

Die Mönche nähen die Roben.

Zu den Vorschriften gehört, dass die Robe nicht aus weniger als fünf einzelnen Stoffteilen zusammengenäht werden darf, es können aber auch mehr als fünf Teile sein. Und dass nur eine einzige Kathina-Robe angefertigt werden kann.

Bhante Medhayo beim Färben der Robe.

Das Einmalige der Kathina-Robe besteht darin, dass ihre Herstellung den Mönchen - sowohl jenem, der den Stoff empfangen hat, als auch anderen an der Arbeit beteiligten Mönchen - fünf Privilegien gewährt, die bis zu fünf Monaten gültig bleiben können:

(1) Das Ausgehen, um am Vormittag Familien zu besuchen, ohne einem anderen Mönch Bescheid zu sagen.

(2) Das Vorrecht, ohne alle drei vorschriftsmäßigen Roben bei Tagesanbruch auszugehen.

(3) Das Vorrecht, eine Gruppen-Mahlzeit einzunehmen.

(4) Das Vorrecht, so viele Roben zu haben wie gebraucht werden.

(5) Das Vorrecht, jegliche Roben, die den Mönchen übergeben wurden, behalten zu dürfen.

In der Praxis haben diese Privilegien unter heutigen Bedingungen allenfalls eine untergeordnete Bedeutung.

Worauf es im Wesentlichen ankommt, ist das "Ausbreiten" oder "Teilen" des Kathina im Sinne einer gemeinsamen Teilhabe an diesen Privilegien. Die Kathina-Robe wird zwar von einem einzelnen Mönch (mit Hilfe des Sangha) gemacht, doch andere daran beteiligten Mönche haben ebenfalls die Privilegien erworben. Und es muss eine ganz wichtige Bedingung erfüllt worden sein: erst wenn die Mönche die Robe als richtig und in Übereinstimmung mit dem Dhamma gemacht betrachten und ihre Anumodana (Mitfreude) dazu geben, ist die Robe eine Kathina-Robe geworden - das Kathina ist damit geteilt worden.

Wenn es heißt "Kathina ist geteilt", ist nicht die Robe gemeint, sondern die gemeinsame Teilhabe an den Privilegien.

Warum aber muß die Kathina-Robe an einem Tag angefertigt werden? Diese Frage bringt uns zum Kern des Kathina! Denn eine Robe zu nähen ist eine sehr große Arbeit (erst recht zu Lebzeiten des Buddha, als es noch keine Nähmaschinen gab) und diese Arbeit kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten in einer Gemeinschaft zusammenarbeiten und sich gegenseitig helfen. Das ist die eigentliche Bedeutung des Kathina-Fests. Nicht (wie gewöhnlich von Mönchen erzählt wird) um großen Verdienst durch Ausüben des Spendens zu erlangen, sondern um grossen Verdienst durch Ausüben des Dhamma zu erlangen, indem man mit großer Freude zusammenarbeitet und sich gegenseitig hilft. Das Kathina-Fest an sich ist, wenn es richtig gemacht wird, eine Ausübung des Dhamma (der Lehre des Buddha). Es ist besonders zu bemerken, dass jegliche Handlung, die dem Dhamma widerspricht (z.B. Gier, Hass, Verblendung, Neid, Überheblichkeit, Streit, Anhaftung, usw.) an sich schon nicht in Übereinstimmung mit dem Dhamma ist und deshalb nicht zum Kathina-Fest gehört. Wenn zum Beispiel die Robe inmitten von Gier und Streitigkeiten angefertigt worden ist, dann ist es keine Kathina-Robe, weil das dem Dhamma nicht entspricht.

Warum sagen die Mönche immer, dass die Gabe einer Kathina-Robe die größtmögliche Gabe ist, die demjenigen, der sie macht, großen Nutzen bringt? Der Buddha hat eigentlich nie gesagt, dass die Gabe einer Kathina-Robe eine besondere Bedeutung für denjenigen hätte, der sie macht. Er hat ganz im Gegenteil immer die Überlegenheit der Gabe des Dhamma betont: "sabbe dana dhamma dana jinati" - die Gabe des Dhamma ist jeglicher anderen Gabe überlegen. Dass die Gabe einer Kathina-Robe der höchstmögliche Verdienst sei - dem hat der Buddha auch ausdrücklich widergesprochen. Er hat gesagt, dass die Aufmerksamkeit auf die entstehenden und vergehenden Phänomene in der Gegenwart für nur einen einzigen Moment weit mehr Verdienst bringt als alle Gaben der Welt. Deshalb erlangen wir unendlich viel mehr Verdienst, wenn wir für eine Stunde auf den Atem meditieren, als wenn wir eine Kathina-Robe spenden. Der Buddha hat auch gesagt, dass liebende Güte (metta), die nur für einen einzigen Moment im Herzen entwickelt wird, mehr Verdienst bringt, als die Gabe hunderter Schalen von Essen.

Wenn die Mönche von Kathina als der größten Gabe sprechen, woher kommt dann eigentlich diese Behauptung? Hier müssen wir etwas in die Geschichte des Buddhismus zurückgehen. Vor etwas über zweitausend Jahren haben in Sri Lanka dort herrschende Könige angefangen große Ländereien an bestimmte buddhistische Klöster zu spenden, insbesondere an den berühmten Mahavihara, und diese Klöster wurden infolgedessen reiche und mächtige Grundbesitzer mit dem Volk als Leibeigene. Natürlich hatte das zur Folge, dass die buddhistische Praxis der Mönche schwerwiegend beeinflußt wurde, denn die Mönche verloren ihren Weg. Danach entbrannte ein großer Streit zwischen zwei großen Klöstern - dem Mahavihara und dem Abhayagiri Vihara. Dieser Streit hat über 600 Jahre gedauert, und die Könige haben mal den Mahavihara und mal den Abhayagiri Vihara unterstützt. Im 5. Jahrhundert, als dieser Streit noch im Gange war, ist der indische Mönch Buddhaghosa zum Mahavihara-Kloster in Sri Lanka gegangen, um die alten Kommentare über die buddhistischen Texte aus der Sri Lankesischen Sprache in die Pali-Sprache zu übersetzen und in der Pali-Sprache zu verfassen. Die Mönche von Mahavihara haben in Buddhaghosas Kommentaren ihre Behauptungen zur Überlegenheit dem Abhayagiri Kloster gegenüber bestätigt gefunden und haben ihm erlaubt, alle wichtigsten Kommentare zusammenzufassen. Alle alten Kommentare wurden anschließend in einem großen Feuer verbrannt und Buddhaghosa wurde von den Mahavihara-Mönchen als Heiliger gefeiert (obwohl er kein Heiliger gewesen sein kann, weil er, ganz im Gegensatz zu einem Heiligen, offensichtlich ein großes Ego hatte).

Es ist also wichtig zu bemerken, daß die ganze Arbeit und die Berühmtheit von Buddhaghosa sehr eng verbunden sind mit Gier, Hass und Verblendung der Mahavihara-Mönche in ihrem Streit mit dem Abhayagiri Vihara. Die Interpretationen der buddhistischen Texte, die Buddhaghosa in seinen Kommentaren gibt, sind durch die verdorbenen Mahavihara-Mönche beschmutzt. Wenn die Mönche heute von Kathina als der größtmöglichen Gabe sprechen, dann liegt der Grund dafür in den von Buddhaghosa verfassten Kommentaren. Diese Behauptung aber gründet in nichts anderem als Gier. Anderthalbtausend Jahre später glauben Mönche noch immer ernsthaft an diese Behauptung, weil sie in den von Buddhaghosa verfassten Kommentaren bewahrt worden ist. Glücklicherweise haben wir aber auch die originalen Lehrreden des Buddha (jene Texte, zu denen der Buddhaghosa seine Kommentare verfaßt hat), und wenn wir diese Texte studieren, können wir doch immer noch die wahre Lehre des Buddha erkennen und deren Unterschiede zu Buddhaghosa beachten.

Die Gabe (dana auf Pali Sprache) ist eine sehr sehr wichtige Komponente der buddhistischen Lehre, die essentiell für eine richtige geistige Entwicklung ist. Es ist offensichtlich, dass die Thais die Fähigkeit zu den Gaben besonders gut entwickelt haben (Leider haben die Deutschen und andere westliche Menschen diese wichtige Fähigkeit kaum entwickelt). Eine Gabe muss aber nach der buddhistischen Lehre freiwillig sein, sie muss von Herzen kommen. Wenn ein Mönch oder ein Tempel die Leute auffordert zu spenden oder noch mehr zu spenden, ist das ein Irrweg, ein schwerwiegender Widerspruch zum Dhamma, und wurde vom Buddha untersagt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wenn ein Mönch oder ein Tempel die Leute auffordert, Gold zu spenden (zum Beispiel, um eine Buddhafigur herzustellen), das ein schwerwiegender Verstoß gegen die Mönch-Ordensregeln (Vinaya) ist - nicht nur für den Mönch selbst, sondern auch für denjenigen, der es spenden. Wenn derjenige, der das Gold spenden will, finanzielle Schwierigkeiten hat und/oder Schulden hat, darf er auf keinen Fall glauben, dass es ihm Glück bringen wird - ganz im Gegenteil wird es ihm besonders großes Unglück bringen, und auch dem Mönch selbst. Wenn der Mönch behauptet, dass die Gabe von Gold demjenigen, der es spendet, großen Nutzen bringt, wird das Unglück noch größer.

Die Bedeutung von Kathina ist nicht, dass durch die Gabe von Spenden besonderer Verdienst erlangt wird, sondern dass die Gemeinschaft in Eintracht an der Kathina-Teilung zusammenwirkt. Etwas vollkommen machen im Einklang mit dem Dhamma - das ist das Ziel, und in diesem Sinne ist Kathina Dhamma-Praxis. Das Kathina-Fest so zu feiern heißt auch dem Kern der buddhistischen Lehre gerecht zu werden: Leiden zu überwinden durch die Vernichtung der Wurzeln von Habsucht, Missgunst und Irrglauben.

Das Kathina-Fest im Dhamma Zentrum Dhammasacca Patisangvedi

Seit Anfang Juli 2009 ist das Dhamma Zentrum Dhammasacca Patisangvedi in der Pankstraße 11 Gartenhaus dank der großzügigen Unterstützung der Ahorn Grieneisen AG umgezogen. Das Kathina-Fest 2009 fand am 18. Oktober in den neuen Räumen des Dhamma Zentrums unter der Leitung von Frau Varunee Zimanky statt. Wie jedes Jahr war der Gedanke von einer Zusammenarbeit im Dhamma der wichtigste Ausgangspunkt für alle Teile dieser Feier.

Im Mittelpunkt der feierlichen Handlungen stand die Herstellung einer Kathina-Robe nach den alten Vinaya-Regeln. Drei Mönche aus dem Hamburger Wat Buddhabharami und Ajahn Sonthiya aus Berlin waren zu Gast, um zusammen mit Bhante Medhayo, dem Leiter des Dhamma Zentrums, "Kathina zu teilen".

Die Kinder und Jugendlichen der bezaubernden Tanzgruppe "Maa Yaa Raab" erfreuten die Gäste wieder mit ihren abwechslungsreichen Tänzen und auch das Instrumental-Solo auf dem Kim war ein künstlerischer Höhepunkt dieses Tages.

Das Dhamma Zentrum Dhammasacca Patisangvedi ist ein buddhistisches Zentrum in Berlin-Wedding, Pankstraße 11 Gartenhaus. Es lehrt wie wir Meditation und die Lehre des Buddha in unserem täglichen Leben verwenden können, um Leiden und Schwierigkeiten zu überwinden und unsere Lebensqualität zu verbessern. Die Schwerpunkte des Dhamma Zentrums sind die originalen Lehrreden von dem Buddha, die Lehren von dem erleuchteten Thai Mönch Buddhadasa Bhikkhu und die Anapanasati Meditation. Jeden Donnerstagabend ab 19 Uhr findet im Dhamma-Zentrum eine Meditation (Anapanasati) statt und jeden Samstag ab 17 Uhr eine Lesung (auf Deutsch) der Lehrreden von dem Buddha. Website: http://medhayo.buddhadasabooks.org

Bhante Medhayo und Gudrun Parnitzke

Bei der Kathina-Zeremonie.



Der Mönch bei der Kathina-Zeremonie.



Die beiden Mönche nähen die Robe.



Bei der Kathina-Zeremonie.



Das Kathina teilen - voller Inbrunst.



Bei der Kathina-Zeremonie.



Ehrengäste bei der Kathina-Zeremonie.



Solistin auf dem Kim.



Thaitanz zur Kathina-Zeremonie.



Thaitanz zur Kathina-Zeremonie.



Thaitanz zur Kathina-Zeremonie.



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