Helden der thailändischen Geschichte (2)

KÖNIG RAMKHAMHAENG, DER GROSSE,
ODER PHO KHUN RAMKHAMHAENG MAHARAT

In dieser Folge unserer Serie wollen wir einen Zeitzeugen und Freund von MENGRAI, dem Großen, den König von Sukhothai, RAMKHAMHAENG, den Grossen, oder PHO KHUN RAMKHAMHAENG einmal näher betrachten.

RAMKHAMHAENG wurde zwischen 1237 und 1247 als Sohn von Prinz Bang Klang Hao, der als König Sri Indraditya oder Pho Khun Sri Indraditya der erste König des Königreiches von Sukhothai in der sogenannten Phra Ruang-Periode war (Phra Ruang=prächtiger Prinz) und dessen Ehefrau Königin Sueang geboren. RAMKHAMHAENG hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Der älteste Bruder starb jedoch sehr jung, und der zweitälteste Pho Khun Ban Muang folgte seinem Vater Sri Indradityaoder Bang Klang Hao (=Herr, der den Himmel beherrscht) im Jahr 1270 nach dessen Tod auf den Thron. Im Jahr 1279 folgte ihm dann RAMKHAMHAENG, als Pho Khun Ban Muang starb.

Im Alter von 19 Jahren (dies bedingt jedoch als Geburtsjahr 1239!) half Rama, wie er damals noch hiess, seinem Bruder Pho Khun Ban Muang in einer wichtigen Schlacht gegen die Khmer. Formal war Sukhothai immer noch ein Vasall der Khmer, und diese versuchten alles, um den abgefallenen Vasall wieder zurückzuholen. Rama gewann diese Schlacht gegen die Khmer und erhielt von seinem Bruder dann den Ehrentitel Phra Ramkhamhaeng=Rama der Mutige! Er erhielt ausserdem die Kontrolle über die Stadt Si Satchanalai, der zweitwichtigsten Stadt des Königreiches Sukhothai.

Nach der Thronbesteigung im Jahr 1279 erwies sich RAMKHAMHAENG als ein äusserst geschickter Diplomat. Er schloss im Jahr 1287 das schon bei MENGRAI erwähnte Dreikönigsabkommen mit König MENGRAI von Lanna und König Phraya Ngam Mueang von Phayao. Dieses garantierte Sukhothai Frieden im Norden mit seinen Nachbarstaaten.

König RAMKHAMHAENG

Auch mit der Yuan-Dynastie (in Chinesisch: Da Yuan Diguo) in China (1271-1368) unter deren mongolischen Führer Kublai Khan wurden freundschaftliche Beziehungen gepflegt. Man wollte dieses Großreich lieber zum Freund denn zum Feind haben.

Natürlich schloss RAMKHAMHAENG nicht nur diplomatische Bündnisse, auch durch eine geschickte Kriegsführung dehnte er das Königreich weiter aus. Im Norden reicht das Reich bis zur Südgrenze von Lanna, im Nordosten bis Phrae, Nan und Luang Prabang. Im Osten war Vientiane die Grenze, und im Süden reichte das Königreich bis auf die Malaiische Halbinsel bis zur Höhe von Nakhon Si Thammarat. Westlich des Königreiches lag Burma. Hier erstreckte sich Sukhothai bis Tenesserim, Tavoy, Martaban, Hangsawadi und zum Golf von Bengalen. Durch die Ausdehnung nach Osten hatte RAMKHAMHAENG das vormalige Großreich der Khmer zerschlagen. Ein neues Machtzentrum war in Sukhothai entstanden, das nunmehr bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts die Geschicke Südostasiens entscheidend mitbestimmen sollte.

Allerdings wird RAMKHAMHAENG nicht deswegen der Große genannt, weil er das Königreich von Sukhothai diplomatisch und militärisch ausdehnte und als starke Macht in Südostasien etablierte, sondern weil er drei entscheidende Grundlagen des Nationalgefühls und des Nationalbewusstseins des heutigen Thailands begründete:

1) Die starke Integration des Theravada-Buddhismus im Volk sowie ein Königtum, das sich dem Wohl des Volkes verpflichtet fühlen soll. Diese religiöse und politische Ausrichtung baute auch auf einer kulturellen Eigenständigkeit auf, mit der er sich bewusst von den Nachbarvölkern abgrenzte und so eine neue Identität schuf, die später dann zur siamesischen, letztlich dann zur heutigen thailändischen kulturellen Identität führte.

RAMKHAMHAENG übernahm die guten Dinge der chinesischen Kultur und der Kultur der Khmer und wandelte sie geschickt in eine eigene Kultur von Sukhothai um. Die Schöpfung der eigenen Sukhothai-Kultur war eine Leistung, die dann sehr viel später zum heutigen Thailand führte!

Die Begründung einer eigenen kulturellen Identität geschah durch die Nr. 2. Die Entwicklung einer eigen Schrift. Diese neue Schrift, genannt Lai Sue Thai, tauchte zum ersten Mal im Jahr 1292 auf der in Stein gehauenen Regierungserklärung von RAMKHAMHAENG auf (Silajaruek Pho Khun Ramkhamhaeng). Diese Steinstele steht heute im Nationalmuseum in Bangkok, und alle Thai können prinzipiell die alte Schrift lesen. Wenn man als Thai sprechender Farang einer Thai oder einem Thai die Worte "Mein Vater wurde Sri Indraditya genannt..." sagt, dann wird die oder der Thai diesen Satz ohne Mühe fortsetzen können mit den Worten "meine Mutter wurde Nang Suang genannt, mein älterer Bruder wurde Ban Muang genannt." Diese Sätze lernt jedes thailändische Schulkind, denn sie sind der erste Satz auf der berühmten Steinstele von Sukhothai.

Statute der drei Könige

Sehr bekannt sind auch die Sätze über Sukhothai geworden, die auszugsweise lauten: "...in der Zeit von König RAMKHAMHAENG gedeiht dieses Land von Sukhothai. Dort sind Fische im Wasser und Reis auf den Feldern. Der Herr des Königreiches erhebt keinen Zoll von seinen Bürgern bei Befahrung der Strassen, sie führen ihr Vieh, um zu handeln, und sie reiten ihre Pferde, um sie zu verkaufen... Er hat eine Glocke am Eingang des Tores gehangen: wenn ein irgendein Gewöhnlicher eine Beschwerde hat, die seinen Magen krank macht oder sein Herz ergreift, und die er seinem Herrscher und König mitteilen will, dann ist das leicht: er geht und läutet die Glocke, die der König dorthin gehangen hat, König RAMKHAMHAENG, der Herrscher des Königreiches, hört die Glocke, dann geht er und fragt den Mann, ermittelt in der Sache und entscheidet sie gerecht für ihn..."

Es gibt allerdings heute Diskussionen um die Echtheit dieser Stele. Der Stein soll im Jahr 1833 von König Rama IV. (König Mongkut), der zum damaligen Zeitpunkt noch ein Mönch war, im Wat Phra Si Rattana Mahathat in Sukhothai entdeckt worden sein (Literaturangaben zu dieser Diskussion am Ende dieses Beitrages).

Innerhalb der Gesellschaft von Sukhothai gab es keinerlei Bevorzugung irgendwelcher Personen oder Völker. Selbstverständlich konnten auch die Angehörigen besiegter Völker Positionen in der Verwaltung des Staates oder in der Wirtschaft erhalten. Sie sollten ja in die neue Gesellschaft und den Staat von Sukhothai vollständig und gleichberechtigt eingegliedert sein. RAMKHAMHAENG holte chinesische Keramikspezialisten nach Si Satchanalai (heute Sawankhalok), die dort Brennöfen aufstellten und die berühmte Sangkhalok-Keramik entwickelten. Diese Keramik war aus der chinesischen Seladon-Keramik entwickelt worden und wurde zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig.

3) Eine weitere wichtige Leistung war die Entwicklung der Wirtschaft. RAMKHAMHAENG erhob keine Steuern auf den Handel und den Transport. Lediglich die Zinngewinnung auf der Insel Phuket unterlag dem königlichen Monopol und wurde entsprechend besteuert. Die Städte wurden ausgebaut, Stadtmauern und Bewässerungssysteme wurden angelegt, und die Armee wurde vergrößert. Auch der Aufbau eines Schulsystems zählt mit Sicherheit zu den Errungenschaften von RAMKHAMHAENG.

RAMKHAMHAENG war mit absoluter Sicherheit einer der größten Könige in der Geschichte Thailands und seiner Vorgängerstaaten. Er war der Schöpfer des gütigen Königtums, eines Königtums, dessen Traditionen noch heute unverändert gültig sind. Er schuf mit der Einführung der neuen Thai-Schrift ein Fundament für die nationale Identität. Er brachte seinem Land Wohlstand und, nach Sicherung seiner Grenzen, auch Frieden, und nicht zuletzt war Sukhothai einer der mächtigsten Staaten Südostasiens. RAMKHAMHAENG trägt den Ehrentitel "Der Große" mit Sicherheit zu recht. Dr. Volker Wangemann

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